Die Kirche von Rennes-le-Château

Die KircheDas Gotteshaus der Gemeinde des Abbé Saunière befand sich bei seinem Amtsantritt im Jahre 1885 in einem wahrlich grauenhaften Zustand. So beschloß der Abbé die 1059 Maria Magdalena geweihte Kirche restaurieren zu lassen. Dazu lieh er sich eine bescheidene Summe aus der Gemeindekasse und begann die Restaurierungsarbeiten. Dabei entdeckte er in einem hohlen westgotischen Altarplattenträger die geheimnisvollen Pergamente.

„Haben Sie die Dokumente gesehen, die unter der Altarplatte lagen?“ bohrte Pierre weiter und traute sich dabei sogar noch näher in Oliviers Dunstkreis. Das Geheimnis, das an diesem Ort schlummerte, davon war er überzeugt, lag auf der anderen Seite der Kirchentür, nur wenige Schritte von ihm entfernt. [...] „Die Dokumente!“ wiederholte er mit deutlichem Nachdruck und boxte Olivier, dem er an Kraft und Statur in nichts nachstand, ruppig gegen den Oberarm, um den lahmen Riesen ein wenig auf Trab zu bringen.

„Schatzkarten haben wir gedacht“, murmelte dieser schließlich ohne Zusammenhang. „Als wir die versiegelten Holzzylinder aufgebrochen haben“, seine Enttäuschung stand ihm immer noch ins Gesicht geschrieben, „... da war überhaupt kein Gold drin!“ Er spuckte aus der Tür. „Nur diese alten Zettel.“

„Können Sie sich zufällig daran erinnern, was auf diesen Zetteln stand?“ [...]

„Da stand was ausländisches drauf, auf diesen ollen Zetteln“, sagte er schließlich bedächtig. „Auf dem einen Zettel“, fügte er noch schnell und eifrig hinzu, bevor Pierre genervt seine Augen verdrehen konnte, „war so ein Baum gemalt ... mit vielen Namen dran.“

„Meinen Sie einen Stammbaum?"

Da niemand den wahren Sinn der alten Dokumente verstehen konnte, schickte der Bischof den Abbé nach Paris, um sie dort von den fähigsten Kryptologen entschlüsseln zu lassen. Was Saunière in Paris wirklich über den Inhalt der Dokumente erfahren hat, ist nie bekannt geworden. Doch nach seiner Rückkehr verfügte er über ausreichende Geldsummen, um die Restaurierung der Kirche voranzutreiben und sie nach seinen eigenen Vorstellungen komplett umgestalten zu lassen.

So macht der Romanheld Pierre bereits bei seinem ersten Besuch der kleinen Kirche eine grausige Entdeckung:

Als Pierre seine Hand auf die geschmiedete Türklinke legte, bemerkte er, daß das Türschloß dem am Pfarrhaus glich. Es war aber noch größer, fast wie das eines Burgtores. Welche Schätze mochte es ausgerechnet hier, in einer Kirche am Ende der Welt, geben, daß man sie so sicher verwahren mußte.

Er drückte die schwere Klinke ein wenig nach unten, als diese ein seufzendes Geräusch von sich gab. Er hielt inne. Oder wurde in der Kirche etwas eingeschlossen, das daran gehindert werden sollte, diese Mauern zu verlassen? Eine durchdringende Angst begann ihn zu beschleichen, [...]Kirchenportal

Die Vögel waren verstummt und es herrschte völlige Stille.

Das gibt es doch nicht. Pierre kniff seine Augen zusammen. Sein Herz begann schneller zu klopfen, [...] Ihm war schwindelig und vor seinen Augen tanzten feine Schleier. Im Schatten der Statue der Maria Magdalena hatte sich etwas verborgen, das erst jetzt hervorgekrochen kam. „Ja!“ hauchte er. „Ich habe es in meinem Innersten gefühlt, als ich diese Klinke berührt habe: Dieses ist nicht mehr das Haus unseres Herrn. Gott hat diese Mauern verlassen!“

Es war eine lateinische Inschrift, die sich wie eine Schlange langsam aus dem Schatten herausringelte, eingemeißelt zur ewigen Warnung:

TERRIBILIS EST LOCUS ISTE – DIESER ORT IST SCHRECKLICH Altar

In der KircheDas Innere der Kirche ist voller Rätsel und gibt zu immer neuen, wildesten Spekulationen Anlaß. So zeigt zum Beispiel jede einzelne Station des grellbunten Kreuzweges irgendeine sonderbare Widersprüchlichkeit, ein nicht zu erklärendes zusätzliches Detail oder weicht sonstwie von der allgemein üblichen Darstellungsweise ab. So zeigt die vierzehnte Station die Grablegung Christi bei Nacht. Was möchte Saunière andeuten? Daß Jesus Körper aus dem Grab herausgetragen wird? Oder, daß die Grablegung viele Stunden später erfolgte, als von der Bibel angegeben?

Wie gesagt: Die Kirche ist voller Symbole, Rätsel und geheimnisvoller Hinweise. Warum steht direkt am Eingang eine wahrlich erschreckende Gestalt, die den Eintretenden sofort an den Satan denken läßt?

„Verdammt noch mal!“ Er zuckte zusammen, als seine Augen etwas erfaßt hatten. Es tauchte direkt hinter ihm auf und hatte sich im Schatten der schweren Eingangstür versteckt. [...]

„Der Teufel“, japste er kurzatmig und rang nach Luft. Sein Herz rumste wie ein Dampfhammer. Er war fassungslos. Eine menschengroße Statur des Satans! Und das mitten in meiner neuen Kirche! Aber Gott sei Dank ist dieses Ding nur aus Stein! [...]Asmodi

„Da ist es doch kein Wunder, daß die Leute hier verrückt geworden sind und diese Kirche nicht mehr betreten wollen“, brummte er kopfschüttelnd und wandte sich wieder dem Kirchenraum zu. Was hatte sich der alte Abbé nur dabei gedacht? Wie sollte er hier arbeiten, mit diesem Kerl dahinten in der Nische? [...]

„Asmodi“, sagte unvermittelt eine Stimme von draußen. „Der Hüter der Geheimnisse und der Wächter verborgener Schätze.“ Pierre wandte seinen Kopf und sah in einiger Entfernung vor der Kirchentür Bruder Severin stehen, zusammen mit diesem dicken schwarzen Hund von Marie.

„Aber ich dachte ...“, er deutete mit dem Finger auf die Teufelsfigur.

„Nein“, flüsterte Severin herüber, „es ist nicht der Satan.“ [...]

„Asmodi!“ wiederholte er leise und furchtsam, als Pierre auf ihn zuging. „Er ist ein Dämon. Der Hüter der Geheimnisse und der Wächter der verborgenen Schätze. Er soll sogar den Tempel in Jerusalem gebaut haben, wie eine alte jüdische Legende besagt.“

Die Hintergründe